- Dreiklassenwahlrecht in Preußen
- Dreiklassenwahlrecht in PreußenNach dem Scheitern des ersten gesamtdeutschen Parlaments in Frankfurt am Main im Frühjahr 1849 setzte sich in den meisten deutschen Staaten die Reaktion durch. Viele der in den Tagen der Märzrevolution errungenen Rechte gingen den Landtagen wieder verloren.In Preußen hatte König Friedrich Wilhelm IV. die Tätigkeit der preußischen verfassunggebenden Nationalversammlung (22. 5. bis 5. 12. 1848), die weitergehende Forderungen (u. a. Periodizität der Sitzungen, Steuerbewilligungsrecht) als die Frankfurter Nationalversammlung erhoben hatte, rigoros mithilfe des Militärs beendet. Am 5. Dezember 1848 erließ er ohne parlamentarische Mitwirkung eine Verfassung, die - da »von oben« aufgezwungen - als »oktroyierte« Verfassung bezeichnet wurde. Diese noch relativ liberale Verfassung wurde schon im Mai 1849 einer konservativen Revision unterzogen. Das neue Wahlgesetz vom 30. Mai 1849 legte für die Wahlen zur zweiten Kammer, die sich aus den gewählten Volksvertretern zusammensetzte, während die erste Kammer, das Herrenhaus, den Prinzen der königlichen Familie und dem Adel vorbehalten blieb, ein Dreiklassenwahlrecht fest.Nach diesem Wahlrecht wurde die Bevölkerung nach ihrer Steuerleistung in drei Klassen eingeteilt. Jede dieser drei Steuerklassen hatte die gleiche Anzahl von Wahlmännern zu wählen, die dann die Abgeordneten wählten. In der 1. Klasse der am höchsten Besteuerten waren die Unternehmer und Fabrikherren, sie hatten 1849 nur 4,7 % Anteil an der Gesamtbevölkerung, die 2. Klasse hatte 12,6 %, während in der 3. Klasse, in der 82,6 % der Bevölkerung stimmten, auch nicht mehr Wahlmänner aufgestellt werden konnten als in jeder der beiden anderen Klassen; 1908 stimmten in der 1. Klasse 4 %, in der 2. Klasse 14 % und in der 3. Klasse 82 %, die ungleiche Verteilung der Stimmen hatte sich also nicht geändert. Dieses Wahlrecht entsprach den Vorstellungen des mit der Industrialisierung rasch zu Ansehen und wirtschaftlicher Macht aufgestiegenen Großbürgertums, der »Bourgeoisie«. Viele dieser Bürger, die anfänglich den Ereignissen der Revolution im Frühjahr und Sommer 1848 durchaus positiv gegenübergestanden hatten, waren jetzt aus Furcht vor den sozialen Konsequenzen der Revolution und der Parlamentarisierung eher bereit, die Maßnahmen des Königs zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung im Lande zu akzeptieren. Das Wahlgesetz von 1849 war in Preußen bis 1918 gültig.
Universal-Lexikon. 2012.